Heute ist der längste Tag des Jahres, die Hochzeit des Lichts. Nun leben wir in der Fülle und das Leben, innen und außen, feiert sich selbst.
Im Jahreskreis der nördlichen europäischen Völker heißt die Sommersonnwende Litha, benannt nach der Mondgöttin. Dies scheint für den Zeitpunkt des längsten Tages und der kürzesten Nacht zunächst paradox.

Der an diesem Tag wie an keinem anderen herrschende Sonnengott aber vermählt sich in der Nacht mit Litha, der Mondgöttin, und so überträgt sich seine Kraft in die Erde und läßt alles Leben gedeihen.
Vor einigen Tagen habe ich mir ein Video von Wolf-Dieter Storl angesehen, in dem er über die Pflanzen der Sommersonnwende spricht. Es sind – unter anderen – der Holunder, die Kamille, natürlich das Johanniskraut, auch der Beifuß und die Gundelrebe, auch Gundermann genannt.
Am nächsten Tag saß ich in unserem Garten und entdeckte, dass all diese Pflanzen dort wachsen, ohne dass wir sie gepflanzt hätten.

Wie wunderbar dachte ich mir: ohne mein Zutun haben sie sich bei uns angesiedelt, sind sie zu mir gekommen. Einfach so. Dank der vielen wilden Ecken und der Abwesenheit von dem, was meine Mitmenschen „Rasen“ nennen. Es sind, das betont Storl, gerade diejenigen Pflanzen, die das Licht speichern, das sie uns als Heilpflanzen in der dunklen Jahreszeit spenden – jede auf ihre Weise.
Und noch etwas kommt mir zu Bewusstsein, als ich mich in dem wilden kleinen Wiesenstück neben der Terrasse umsehe. Diese Pflanzen sind so unscheinbar. Man kann sie leicht übersehen. Fast scheint es mir so, als ob das kleinblättrige Johanniskraut mir seinen zarten gelben Blüten sich freut über meine Beachtung.
Und noch etwas schätze ich an den Pflanzen: sie sind still. Sie machen kein Aufhebens von sich. Sie sind einfach da. Welch eine Wohltat.
le