Es ist lange her, daß ich einen Fernseher besaß. Es kam einmal der Tag, an dem mein alter Fernseher kaputtging und ich den Entschluß, mir einen neuen zu kaufen, in mir nicht finden konnte. Zuviel Unruhe und Gewalt kam mir aus der Kiste entgegen. Die Schnittfolge der damaligen Sendungen hatten, verglichen mit früheren Zeiten, Maschinengewehrtempo. Außerdem hatte ich mehr und mehr das Gefühl, dass das Fernsehen mich mit seinen Zumutungen aus aller Welt überforderte.
Was soll ich anfangen mit einem 14 Sekunden Beitrag, in der ein afghanischer Junge, der aufgrund eines Anschlages gerade Waise geworden ist, mir verzweifelt aus dem Fernsehgerät entgegenblickt? Ich kann ihm keine Hand reichen, ihm nicht in die Augen sehen mit der Erwartung von Resonanz, ihm kein Essen reichen, keinen Trost spenden.
All dies läßt das Fernsehen nicht zu. Es läßt ihn und mich allein. Auf die Frage, was das soll, fand ich keine Antwort. Da wird eine Reaktion ausgelöst (Bestürzung, Trauer, Wut), die nicht in ein Handeln fließen kann. Die Bilder lassen mich zurück in einer Passivität, die ich nicht weiter Gewohnheit sein lassen wollte. Danach dann ein Flugzeugabsturz, eine Sportnachricht, dann das Wetter. Das Ganze womöglich als Unterhaltungsprogramm zum Abendessen. Für mich wurde das immer mehr zur Barbarei.
Als ich aber noch einen Fernseher besaß und ihn auch nutzte, ereignete sich z.B. folgendes und fand Eingang in ein Notizbuch:
„Kurz schalte ich heute morgen den Fernseher ein, um mich im Teletext über das Programmangebot heute und morgen zu informieren. Zufällig gerate ich in eine Sendung, in der beklagt wird, daß in Ghana erst vier Prozent der Bevölkerung Zugang zum Internet hätten und ihnen dadurch der Zutritt zur modernen Informationsgesellschaft verwehrt sei. Mich befremdet die unüberlegte Übereinstimmung mit dieser einfachen Glücksverheißung, die der Sprecher wie selbstverständlich verkündet. Mehr Glück durch mehr Information, daß ich nicht lache! Mit mir lacht in meiner Vorstellung ein osttibetischer Nomade, der bestimmt dreimal so glücklich ist wie der Autor des Textes, sein Sprecher und ich zusammen. Internet sagt der Tibeter, brauch ich nicht. Und lacht. Zu den Worten im Fernsehen werden Bilder aus einem fahrenden Auto gezeigt. Man sieht eine – wohl ghanaische – Landschaft mit vereinzelten Behausungen vorbeiziehen. Darüber ein wunderbar wolkenbetupfter Himmel. Ich denke, warum erzählt der Sprecher nicht über das Augenfällige in diesem Bild – diesen herrlichen Himmel!? Weshalb beklagt der statt dessen, daß die Menschen nicht in ihren Hütten vor einem an das weltweite Informationsnetz angeschlossenen Computerbildschirm sitzen können? Werden sie überhaupt noch zu diesem Himmel schauen, wenn sie erst „Anschluß“ gefunden haben an unsere wunderbare Informationswelt?
Einen Gegentext möchte ich schreiben:
Immer weniger Deutsche finden Anschluß an sich selbst und die Vorgänge in der Natur. Im letzten Jahr waren es nur noch 0,8 Prozent und die Tendenz geht stark nach unten. Eine neue Initiative, gefördert von der Europäischen Union, will nun die Bürger dazu bringen, wieder mehr in den Himmel zu schauen. Durch dieses nichtzweckgebundene Schauen, so Experten, könne Streß abgebaut werden. Das Bundesgesundheitsministerium zitiert eine Studie, wonach Langzeitindenhimmelschauer im Schnitt deutlich weniger Arztbesuche aufweisen. Sie leiden weniger an Herz- und Kreiskauferkrankungen und streßbedingten Organschädigungen.“
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Titelbild: pixabay