Die tiefe menschliche Sehnsucht nach einer Heimat und einem Zuhause ist eins der wichtigsten, wenn nicht das zentrale Triebmotiv menschlichen Handelns. Wenn wir an die Ursprünge der Menschheit, die alt- und jungsteinzeitlichen Epochen gehen, so sehen wir den Wald, den Waldgarten als unsere Urheimat.
Nicht umsonst ist das Paradies, nach dem wir bewußt oder unbewußt streben, geschichtlich und mythologisch mit dem Garten, dem Garten Eden, gleichgesetzt.

Der Garten als Archetyp taucht überall dort auf, wo Menschen sind. Sei es als Nutz-, als Prunk-, als Repräsentations-, als Lust- oder als Ziergarten. Der Garten spiegelt unser Verhältnis zu Natur wider. Zeige mir deinen Garten und ich sage dir wer du bist! In manchen Gärten kommen uns unmittelbar die Entfremdung des Menschen von der Natur und der Versuch ihrer Kontrolle und Beherrschung entgegen.
Die Permakultur stellt ein Gegenmodell dazu dar. Permakultur, das sind nach Erich Graf „kultivierte Ökosysteme“. Sie folgt der Logik des Wasserexperten Viktor Schauberger: „Die Natur kapieren und kopieren“. Wir unterwerfen ein Grundstück nicht unserer Kontrolle, vielmehr laden wir das Leben ein, sich auf unserem Grundstück in all seiner Vielfalt einzufinden. Das beginnt mit der Revitalisierung des Bodens, damit der ganze Reichtum an Mikroorganismen eine Heimat und Wirkstätte findet. Wir schaffen Nischen, strukturieren, geben dem Wasser eine Heimat und vor allem schauen wir: was will sich wo in unserem Garten ansiedeln? Permakultur heißt zunächst einmal: beobachten und abwarten, der Intuition Raum und Möglichkeit geben. Denn die menschliche Seele ist letztlich ein Garten und wenn wir ihr Raum geben und uns verbinden mit der Natur, aus der wir kommen und die wir sind, dann entsteht intuitiv der Impuls für das richtige Handeln.

Dann kann der Garten auch für die Tierart Mensch zu dem werden, was er im Grunde seiner Seele sucht: eine Heimat, ein Zuhause, ein Hort der Geborgenheit. Der Garten lohnt es uns. Er wird zu mehr als einem „schönen“ Ort, an dem wir ein paar Stunden genießen können und aus dem wir Tomaten, Gurken und Zucchini beziehen. Der Garten nimmt uns auf, er verbindet sich mit uns, er lässt und teilhaben an seiner Lebendigkeit. Artur Hermes, der Lehrer Wolf-Dieter Storls, lehrte, dass wir über unsere Fußsohlen unsere Information in die Erde abgeben und sie uns die Pflanzen entgegenwachsen lässt, die wir brauchen, um uns in Balance zu bringen.

Unser Kulturkreis kennt den „Hortus conclusus“, einen mystischen Garten, in dem das Weibliche in Gestalt von Maria, also dem Archetyp der Ur-Mutter lebt. Tatsächlich scheint es so, als sei das Paradies die Domäne der Lebenspflege, des Schutzes, der Pflege, des Nährens allen Lebens, demnach die Domäne des Mütterlichen. So gesehen sehnen wir uns mehr nach einem Mutterland denn nach einem Vaterland. Denn der Garten ist ein „Ort der Geborgenheit“, so die beiden Permakulturisten Gerda und Eduard Kleber. „In seinem Schutz kann sich der Verweilende furchtlos erholen“, er ist „ein Ort des Daheimseins und Sichwohlfühlens“. Und letztlich ist der Garten dann auch ein Erfahrungsraum, in dem der Mensch die Möglichkeit hat, sich aus seiner anthropozentrischen Sichtweise zu lösen und sich wieder zu verbinden (re-ligare, re-ligio) mit seiner materiellen (mater = Mutter) und seelisch-spirituellen Ur-Heimat.
So wie Joni Mitchell einst in ihrem Lied Woodstock sang: „… and we’ve got to get ourselves back to the garden“ – „Wir sind Sternenstaub, Milliarden Jahre alter Kohlenstoff, wir sind golden, wir sind in einem Teufelspakt gefangen, und wir müssen uns zurückbegeben in den Garten“.
Unter Verwendung eines Kapitels aus dem Buch Gärtnern im Biotop mit Mensch G. und E.W. Kleber (2019), Kevelaer: OLV Verlag
Worte: Lothar Eder
Fotografien: Lothar Eder, Bild Frauenmantel von Nancy Buron auf Pixabay