Im Zyklus des Jahreskreises kommen wir nun bei Imbolc an. Die Radikale Poesie veröffentlicht zu diesem Anlass erneut den Artikel aus dem Jahr 2024 – im Jahreskreis gibt es keine Aktualisierung, sondern Vertiefung des Bekannten in der Wiederkehr.

Ausgangs des Mittwinters merken wir, dass das Licht mehr geworden ist. Eine Stunde länger etwa sind die Tage in Mitteleuropa im Vergleicht zu Yul, der Wintersonnwende.
Nach der Überzeugung unserer alteuropäischen Ahnen hat Brigida, die Lichtbringerin, die Szene betreten.

Brigida ist die keltische Göttin des Feuers, auch des Herdfeuers. Sie verkörpert das weibliche Pendant des männlichen Sonnenfunkens, den die Erde, die Materie (von mater = Mutter) nun aufnimmt und umwandelt in Wachstum und Bewegung. Ihr Baum ist die Birke, weshalb Brigidafeste oft in Birkenhainen stattfinden. Die europäische Christianisierung hat Brigida durch Maria ersetzt und aus Imbolc wurde Mariä Lichtmess.

Das Licht also wird nun mehr und die Tage fühlbar länger, das Dunkel geht zurück. Der Frühling wird ahnbar und zeigt sich in der Natur.

Und da wir selbst Natur sind, spüren wir die Veränderung auch in uns. Menschen, die verbunden sind mit der Natur, spüren dies deutlicher. Aber auch wenn wir sehr entfremdet von natürlichen Rhythmen und in digitalen Welten leben, erfasst uns doch eine Ahnung von diesem Geschehen.

Brigida als Strohfigur in einem irischen Garten

Viele Menschen fühlen diese Schwellenzeit, die Imbolc darstellt, ohne dieses Fühlen recht einordnen zu können. Sie nehmen eine Art innere Spaltung wahr: einerseits ein starkes Bedürfnis nach Ruhe und Innehalten, andererseits den Ruf des Aufbruchs und des beginnenden Wachstums.

Dieser innere Zwiespalt aber repräsentiert nichts anderes als die beiden Kräfte, welche in der Natur gerade walten: der Rückzug in die Erde und die Wurzeln einerseits und das erste Ausbrechen und Drängen der Pflanzen hin zum Licht. Wehe, wenn es zu früh geschieht. Wehe, wenn es sich zu früh und ohne Schutz nach draußen wagt, denn der nächste Frost nimmt die allzu kecken neuen Triebe sogleich mit sich.

Es hilft uns, wenn wir diesen inneren Zustand als Spiegel der Natur verstehen. Denn wir sind Natur. Wir sind Teil der Natur und die Natur ist in uns.

Zu allen Zeiten und in allen Regionen der Welt praktizierten die Menschen Rituale, um sich einzufinden in den Rhythmus des Lebens und der Natur. Diese Einbettung lässt uns in der Tiefe, auf einer Ebene, die vor dem Denken und der Sprache geschieht, die Wandlung verstehen und nimmt uns mit. Trägt uns hinüber über die Schwelle in die nächste Phase, ermöglicht uns die nächsten Schritte.

Aufklärung, Industrialisierung und Entfremdung von der Natur haben dies weitgehend verdrängt. Umso wichtiger ist es, dass wir uns wiederverbinden mit den Kräften und dem Leben. Der Kulturanthropologe und Ethnobotaniker Wolf-Dieter Storl weist uns auf die Wichtigkeit hin, gerade an diesen Schwellenpunkten auszusteigen aus dem Alltagsbewusstsein und einzutauchen in die Verbindung mit dem größeren Ganzen.

Dabei helfen uns Rituale. Storl sieht die sprachliche Verwandtschaft der Worte Ritual und Ritus mit dem Sanskritwort Rita, das „kosmische Ordnung“ oder „Wahrheit“ bedeutet. Für solch ein Ritual müssen wir keine Schamanen sein oder alle möglichen Einweihungen bekommen haben. Ohnehin nennen sich gegenwärtig viel zu viele Menschen selbst „Schamanen“ ohne zu wissen, dass in den Gesellschaften, die traditionell Schamanen haben, niemand Schamane sein will. Schmerzhaft sind die Initiationen für künftige Schamanen und Schamaninnen und groß die Verantwortung für den eigenen Stamm. Schamanentum ist keine Angelegenheit, die man sich aussucht, sondern vielmehr wird man von Geistern und Kräften gewählt.

Es genügt, unseren Geist und unsere Seele einzustimmen auf das was ist. Mit innerer Aufrichtigkeit und bereit für die Wahrheit des Jetzt. Es ist gut, ein Feuer zu entzünden, zu räuchern und Lieder anzustimmen. Die Natur, ein Baum, ein Ort im Wald, ein Fels, sind gute Orte für solche Rituale. Aber es geht auch im eigenen Wohnzimmer, wenn wir eine entsprechende Atmosphäre schaffen und wir heraustreten aus der alltäglichen Geisteshaltung. Als allgemeine Regel kann man nehmen: weg vom Machen, weg vom unterscheidenden und bewertenden Denken hin zu einer seelischen Haltung, die von Empfänglichkeit und Absichtslosigkeit gekennzeichnet ist und die Demut aufbringt für die Kräfte, die größer sind als wir. Die Kräfte, die vor uns da waren und lange nach uns sein werden und die uns ermöglicht haben, zu entstehen, zu sein, zu wachsen und zu vergehen.

Es hat sich eingebürgert, Imbolc am 1. oder 2. Februar zu begehen. Von den Kelten ist überliefert, dass Imbolc am 2. Vollmond nach Yul gefeiert wird. Das wäre in diesem Jahr (2025) der 12. Februar.

Lasst uns zusammen das Licht begrüßen und Brigida empfangen, die es uns bringt!

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Worte: Lothar Eder © 2024
Beitragsbilder: lizenzfrei von pixabay.com

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