Am 16. Mai 2025 spielte das Hartwin Trio im Saal des alten Dorfwirthauses „Linde“ in Lobbach. „Folk aus Belgien“ war angekündigt. Die zauberhafte Musik aber, die im Saal erklang, ist mit dem Wort „Folk“ nur unzureichend beschrieben

Der flämische Akkordeonist Hartwin Dhoore musiziert zusammen mit der Cellistin Flavia Escartin und dem Geiger Pavel Souvandjiev. Zu hören waren drei brillante Musiker, die bei jedem Stück einen wunderbar einheitlichen Klangkörper ertönen ließen – so wie wir den Klang am Meer oder im Wald als Einheit erleben: wir können das Rauschen des Waldes unterscheiden vom Singen der Vögel oder den Geräuschen im Unterholz, aber wir hören den Wald als Ganzes. So fügten Akkordeon, Geige und Cello sich zusammen, mal umeinander kreisend, mal unisono, mal als Stimme und Gegenstimme, mal übernimmt das Cello den Basspart oder Flavia Escortin spielt das Cello als Perkussionsinstrument.

Die Musik war allesamt von Hartwin Dhoore komponiert, aber seine beiden Mitmusiker setzten mit Cello und Geige ihre eigenen Betonungen, Variationen, Stimmungen und Arrangements. Die Grundstimmung, der Sound von Hartwins Musik erinnert sofort an Yann Tiersens Filmmusik zu „Die wunderbare Welt der Amélie“. Elemente der europäischen Volksmusik, keltische Harmonik, kreisende und ineinandergewobene Schleifen, die an die Minimalmusik von Philipp Glass erinnern, verzücken das Ohr. Manchmal glaubt man für Sekunden ein paar Takte aus einem Streichquartett von Mozart oder Haydn zu hören, dann schimmert ein wenig Satie durch und dann entführt einen die Musik in die Weiten von Wiesen und Wäldern. Ja, es ist Naturmusik. Diese Musik kommt vom Meer, aus den Bächen, Birkenwäldern, Olivenhainen, und aus der Weite des Himmels. Es ist keine Musik aus der Enge und Hektik der Stadt. Es ist eine Musik aus und für freie Herzen und Köpfe.

Hartwin hat sechs Jahre auf der estnischen Insel Saaremaa gelebt und diese Inspiration ist in jedem Stück hörbar. Zwischen den Stücken erzählt der sympathische Musiker Geschichten zur Entstehungsgeschichte der Musik oder den Erlebnissen des Trios auf seinen Konzertreisen. In Turin sei einmal der Saal so voll gewesen, dass das Publikum die Musiker auf der Bühne umringt hat, weil im Saal kein Platz mehr war. Und in Barcelona habe es einen wundervollen Soundcheck gegeben; leider aber habe Juan, der Organisator des Konzerts auf die Werbung vergessen und so sei niemand, wirklich niemand zum Konzert gekommen. Man sei dann in einem schönen Restaurant essen gegangen und habe das Geld ausgegeben, das man nicht eingenommen hat.
So versuche er, sagt Hartwin für sich und seine beiden Kollegen, jede Erfahrung zu umarmen, egal wie sie sei. Und genau diese liebevolle Haltung der Welt und dem Leben gegenüber teilt sich mit in den Worten und der Musik und sie berührt sichtlich das Publikum, das den Saal vollkommen ausfüllt.

Seit ein paar Jahren habe er eine Familie, erzählt Hartwin gegen Ende des Konzertes, er müsse sich um ein Haus kümmern und die beiden kleinen Kinder  bräuchten seine Aufmerksamkeit, sodass er sich einen sehr ökonomischen Stil beim Komponieren habe zulegen müssen. Dem Leichten, Luftigen und Lyrischen seiner Musik aber hat dies keinen Abbruch getan. Vor einiger Zeit habe er am Küchentisch gesessen und da lag ein Bilderbuch seines Sohnes, das er ihm aus England mitgebracht hatte. Ein kleines Tier hat seine Mutter aus den Augen verloren und ist verzweifelt. Die anderen Tiere helfen ihm „zurück auf den Pfad“ – so in etwa hieß das Stück, das daraus entstand und das dann folgte – und so, sagt Hartwin, sei seine Musik gemeint: dass wir zusammenkommen, dass wir jemanden zum Sprechen haben, dass wir uns austauschen und unterstützen in dieser Welt, die immer komplizierter und belastender wird. Und zusammenkommen wie an diesem Abend in der Lobenfelder Linde und einen schönen Abend miteinander haben. Er bedankt sich herzlich beim Publikum fürs Kommen und der Applaus erklingt ebenso herzlich aus dem Saal zurück.

Und dann lässt das Trio noch ein letztes Stück erklingen und es ist voller Kraft, Leichtigkeit, Freude, Trost und Verbindung. Verbindung auch zur Natur. Nicht umsonst lautet eine Komposition von Hartwin Der Wald weiß wo du bist (The forest knows where you are).

Lothar Eder


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