Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

Noch will das alte unsre Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last.
Ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern
des Leids, gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.
Doch willst du uns noch einmal Freude schenken
an dieser Welt und ihrer Sonne Glanz,
dann wolln wir des Vergangenen gedenken,
und dann gehört dir unser Leben ganz.
Lass warm und hell die Kerzen heute flammen,
die du in unsre Dunkelheit gebracht,
führ, wenn es sein kann, wieder uns zusammen.
Wir wissen es, dein Licht scheint in der Nacht.
Wenn sich die Stille nun tief um uns breitet,
so lass uns hören jenen vollen Klang
der Welt, die unsichtbar sich um uns weitet,
all deiner Kinder hohen Lobgesang.
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist bei uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Dietrich Bonhoefer

Liebe Leserinnen und Leser,
nicht nur ein, vielmehr zwei schwierige Jahre liegen hinter uns und die Vorboten des neuen Jahres stimmen keine Hoffnungslieder an.
Gerade deshalb möchte ich das Neue Jahr mit diesem Gedicht von Dietrich Bonhoeffer beginnen. Geboren in großer Bedrängnis kommen uns seine Worte der Hoffnung und des Trostes in einer Bestimmtheit und Klarheit entgegen, wie sie mir selten begegnet sind.
Kindliches Urvertrauen klingt an – etwas, das in diesen Zeiten voller Angst, Spaltung und Kontrolle so wichtig wäre. Und diese Worte scheinen mir in der Lage zu sein, ein Licht in der Dunkelheit anzuzünden. Gegen das Dunkle in uns und in der Welt.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen allen ein Gutes Neues Jahr 2022!
Lothar Eder, Herausgeber der Radikalen Poesie

Beitragsbild von congerdesign auf Pixabay

Ein Gedanke zu “Zum Jahresbeginn 2022: Dietrich Bonhoeffer

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