Im Jahreskreis sind wir nun im Frühling angekommen. Das Leben erwacht aus dem Winterschlaf und drängt zum Licht. Ostara und Freya, die Göttinen des Frühlings und der Fruchtbarkeit, haben die Szene betreten. Im ewigen Kreislauf von Stirb und Werde ist nun das Werden im Vordergrund. Nun darf keimen und wachsen, was angelegt ist in der Welt, in der Erde und in uns.
Die Energie des Frühlings entspricht im Organkreislauf Leber und Gallenblase. Die zugehörigen Emotionen sind Zorn und Ärger. Beide müssen kultiviert werden und ihren Ausdruck finden. Wenn wir uns nicht ins Leben, in die Welt bringen, sondern das Alte in uns feststeckt, nicht in den Fluß kommt und stockt, wird es gärig und giftig und platzt als unappetitliche Energie in die Umgebung. Wenn wir den Ruf in uns spüren und uns der drängenden Frühlingskraft anvertrauen, dann wird die Frühlingsenergie zum produktiven und gedeihlichen Element.
Die Pflanzen machen es uns vor. Ihre Samen sind angeweht oder vom letzten Herbst noch im Boden. Die mehrjährigen unter ihnen, auch die großen Bäume, nehmen nun die Kraft von Mutter Erde und Vater Sonne und wachsen hinein in die Welt. Wenn wir auch nur Augenblicke so sein können wie sie – wie die Lilien auf dem Feld, heißt es in der Bergpredigt – , können wir großes Glück erleben.
Die aktuellen Zeiten, in denen ein Virus und ein Krieg die öffentliche Aufmerksamkeit bestimmen, laden nicht gerade dazu ein, zu uns zu kommen und uns dem Augenblick anzuvertrauen. Den Tieren gelingt es instinktiv, sich dem Augenblick zu überlassen und sich spontan zu entspannen. Wer einen Hund oder eine Katze hat, kann dies täglich erleben.
Uns Menschen ist diese Fähigkeit stark abhanden gekommen. Wir müssen – oder dürfen – sie kultivieren. Dafür bedarf es nicht immer einer formalen Übung. In den Wald oder in den Garten zu gehen verbindet uns wieder mit der Natur und den spontanen Abläufen. Denn in Wahrheit ist nicht da der Mensch und dort die Natur. Wir sind Natur und es ist gut, sich gelegentlich daran zu erinnern.
Frühling läßt sein blaues Band
Wieder flattern durch die Lüfte;
Süße, wohlbekannte Düfte
Streifen ahnungsvoll das Land.
Veilchen träumen schon,
Wollen balde kommen.
– Horch, von fern ein leiser Harfenton!
Frühling, ja du bist’s!
Dich hab ich vernommen!
Eduard Mörike
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