Im Jahreskreis kommen wir nun bei Samhain an. Innerhalb der vier keltischen Jahreskreisfeste (Imbolc, Beltane, Lughnasadh und Samhain) hat Samhain eine Sonderstellung. Auf Samhain, so ist zu lesen, laufen alle anderen Schwellenfeste zu.

Gelegentlich liest man die profane Einordnung, dass Samhain so etwas wie das keltische Sylvester sei. Mit Samhain endet das alte Jahr und ein neues beginnt. Ein Zyklus endet und ein neuer kommt in Gang. Samhain ist die Zwischenzeit zwischen Ende und Anfang.

Das Rad steht still
Der Lauf der Zeit hält ein
Die Feuer verlöschen
Das Schweigen gibt Raum für das Un-Erhörte

Kalendarisch fällt Samhain auf die Tage zwischen 31. Oktober und 2. November. Die Kelten aber feierten zu Vollmond. Somit fiele Samhain 2023 gemäß der alten Überlieferung auf die Zeit um den 27. November.
Da die Zeit aussetzt und wir uns zu Samhain in eine Zwischenzeit begeben können, in der das ewig Gültige erahnbar und wirksam werden kann, ist diese Schwelle kein einzelner Tag. Vielmehr ist sie ein Zeitraum, den die Kelten über mehrere Tage begingen.

 

 

Was hat das mit uns zu tun? Wir sind keine Kelten, wir haben doch unsere eigenen Zeiten, Abläufe und Regeln!

Genau. Und genau das ist das Problem. Denn die Abläufe in der spätmodernen, konsumistischen Leistungsgesellschaft sind an Materiellem und an Effizienz orientiert. Die seelische Tiefe, die Verwurzelung, die Fragen „woher komme ich, wer bin ich und wohin gehe ich“ fallen allesamt unter den Tisch.

Und wenn du dies nicht hast, dieses Stirb und Werde, dann bist du nur ein trüber Gast auf dieser dunklen Erde lautet der Schlussvers in Goethes Gedicht „Selige Sehnsucht“. Er ist eine Art Leitmotiv für den Weg aus der profanen Welt mit ihren falschen Versprechungen. Er führt uns exemplarisch in die Gefilde, die wir an Samhain betreten können.

Stirb und Werde

Ganz intuitiv erleben wir den Rückzug der Lebenskräfte in der Mitte des Herbstes, auch wenn wir zwischen Beton und Asphalt leben. Wir spüren, dass ein großes Absinken stattfindet, ein Zusammenziehen aller Bewegungen und Kräfte, das konträr ist zu den ausdehnenden Kräften des Sommers.

Die Materie zersetzt sich, die meisten Pflanzen sterben, zumindest oberirdisch, ab. Die Kräfte ziehen sich in die Erde zurück. Es ist dies die Zeit, in dem diejenigen Kräfte aktiv werden, die aufspalten, zersetzen; die gebundene Energie speichern, um dann zu Imbolc alles neu werden zu lassen.

Im Christentum haben wir an diesem Datum Allerheiligen. Und mittlerweile begegnet uns hierzulande ein merkwürdiger und oberflächlicher Gespenster- und Gruselkult, der seinen Ursprung in Halloween (All Hallows Eve, d.h. Allerheiligen) hat. Mit dem ursprünglichen Geist unserer nordeuropäischen Vorfahren aber hat dies nichts mehr gemein. Es ist nicht einmal mehr Folklore, sondern eher eine morbide Form der Vergnügung.

Anderswelt

Zu Samhain war nach keltischer Überzeugung die Verbindung mit der Anderswelt, dem Sid, möglich. Die Begriffe sind mystisch und entziehen sich allen definitorischen Beschreibungen. Vielleicht können wir sagen, dass wir an Samhain mit allem was ist in Verbindung treten können. Wenn das Materielle abstirbt und vergeht, werden die nichtmateriellen Kräfte deutlicher. Das Geistige, Ätherische kann in den Vordergrund treten. Dafür müssen wir unserer Intuition erlauben, die Führung zu übernehmen. Sie kann uns jenseits von Sprache und intellektuellem Verständnis Welten eröffnen, die jenseits des Alltagsverständnisses liegen. Wichtig dabei ist, die Erdverbindung zu halten, z.B. indem wir atmen. Denn nach der Überlieferung haben sich schon manche in den anderen Welten verloren, die sich unvorbereitet zu weit in andere Sphären vorgewagt haben.

An Samhain ist es besonders gut möglich, mit den Ahnen in Verbindung zu treten. Dies gilt genauso für unsere eigenen Schatten. Den Seelenanteilen also, die im Verborgenen liegen.

 

Was tun? – Nicht Tun!

Samhain ist die Zeit der Transformationskräfte, der Sensibilität für die waltenden Kräfte jenseits des Materiellen und des Innehaltens.
Unser Handeln zu dieser Zeit ist idealerweise eher ein Nichthandeln. Innehalten. Nichttun. Gewahrsein. Sich der Vergänglichkeit und der Transformation bewusst werden.

In der Verbindung mit der Natur kann ein tiefes Vertrauen in die waltenden Kreisläufe und das Leben entstehen, das immer wieder neu gebiert. Sich gemeinsam um ein Feuer zu versammeln, sich zu verbinden, zu singen, zu räuchern, zu beten und zu meditieren, sind gute Möglichkeiten, diese „heilige“ Zeit zu nutzen.
Manche mögen es, an besondere Orte zu gehen oder sich in Trance zu versetzen um in Kontakt mit den Ahnen zu kommen.
Die Seele liebt solche Zeiten. Sie mag sich zu solchen Zeiten ausdehnen und sich selbst erkunden. Womöglich verbindet sie sich mit ihrem wahren Ursprung und kann dann gut erholt wieder in den Alltag eintauchen.

Worte: le
Beitragsbilder: cocoparisienne/pixabay, lothar eder, jolene simon/pixabay

2 Gedanken zu “SAMHAIN – Zeitlose Zeit der Transformation

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