Worte sind mehr als Worte. Sie sind nicht bloß Vehikel, vermittels derer Botschaften transportiert werden. Vielmehr schwingen sie, nach außen und nach innen. Sie erzeugen Resonanzen oder eben auch nicht. In einer Zeit der Herrschaft digitaler Information ist es umso wichtiger, der Sprache gegenüber sensibel zu sein. Worte sind Schwebeteilchen der inneren und äußeren Kommunikation. Sie sind Botenstoffe von Bedeutungen und Affekten.
Wir erleben eine Vergewaltigung von Sprache. Nicht nur, daß sie zur vermeintlichen Herstellung von Gerechtigkeit herhalten soll. Heraus kommen Sprachungetüme, die eben nicht zu einer vermutlich angestrebten Achtsamkeit führen, sondern zu ihrem Gegenteil. Wer wollte wirklich, daß aus Paritätsgründen im Abendlied von Matthias Claudius die Mondin aufgeht?
Wir werden überrollt von einer Schnappatmungs- und Brutalsprache, die den Regeln des Marktes und einer Ungeduldskultur folgt. Die semantische Zerspanungsvorrichtung namens Feijsbuk verkürzt weltumspannend den menschlichen Bedeutungsraum auf Laik und Dislaik: etwas gefällt mir oder gefällt mir nicht mehr. Diese Form der Äußerung verkürzt den inneren Bedeutungsraum, sie läßt ihn zusammenschnurren auf eine kurze Linie – ich mag etwas eben oder ich mag es nicht. Basta. Das Beste jedoch bleibt auf der Strecke: die Haptik der Ereignisse und der inneren Vorgänge. Dafür ist die Feijsbukwelt zu schnell, dafür ist sie zu manisch, dafür ist sie zu geistlos. In der Markt- und Hochgeschwindigkeitswelt ist alles geil, kuhl, Hammer oder es nervt.
Hinzu kommt die zunehmende Unsitte des umsichgreifenden Germish, auch Denglisch genannt. Es ist eben kuhl, seinen Friseurladen Hair and more zu nennen. Überall begegnen einem Iwänts und wird einem klargemacht, daß man bestimmte Lokeijschns einfach gesehen haben muß, ansonsten ist man nur ein armer Tropf (bzw. eine Tröpfin). Er bzw. sie tscheckt es eben nicht.
Wer versucht, die Konversation oder Ausdrucksweise auf das hierzulande (noch) gebräuchliche Deutsch zu lenken, macht sich mittlerweile fast schon politisch verdächtig. Gegenwehr ist ehrenhaft, scheint aber zunehmend aussichtslos. Als vor zwei Jahren die Stiftung deutsche Sprache ihre VW-Aktien verkaufte, weil das Unternehmen beschlossen hatte, Englisch als Konzernsprache einzuführen, war das den Radionachrichten eine Meldung wert, aber wenn kümmerte es? Das ist eben Bissniss.
Es geht etwas verloren, und kaum jemand, so scheint es, bekommt es mit. Nicht nur in der Pflanzenwelt geht Vielfalt verloren und verschwinden heimische Arten. Mit den Worten ist es ebenso. Es gab früher den Begriff Glanzlicht, er ist ausgestorben und gänzlich verdrängt vom Hailaid. Ist das wirklich ein Fortschritt?
Sprache ist nicht nur ein Medium, sie bringt nicht nur Botschaften nach außen. Die Sprache, das Wort, der Laut, haben auch eine Binnenwirkung. Derrida schreibt in Die Stimme und das Phänomen (La Voix et le Phénomène) „Das Subjekt muss nicht aus sich heraus gehen, um von seiner Ausdrucksaktivität affiziert zu werden“. Vereinfacht: es ist auch unser inneres Sprechen, das uns berührt. Und nicht nur das – es ist der Klang der Worte, die wir gebrauchen, die wir lesen, hören, innerlich sprechen, es ist ihr Duft, der etwas in uns und mit uns macht. Worte sind potentiell Poesie. „Schläft ein Lied in allen Dingen / Die da träumen fort und fort / Und die Welt hebt an zu singen / Triffst du nur das Zauberwort“ dichtete Joseph von Eichendorff. Worte sind Zauber. Ihr Duft kann uns betören, Welten erschließen, uns berühren. Oder aber sie riechen wie billiges Parfum, tönen schrill und erzeugen Klischees statt Affekten.
In einer lockeren Folge werden in der „Radikalen Poesie“ Worte besprochen und untersucht auf ihre Fähigkeit, Resonanz und Schwingung, Räumlichkeit und Tiefe zu erzeugen. Geruchs- und Geschmacksproben also, Wortverkostungen, oder wie es auf Neudeutsch heißt Teijsting und Nousing. Wie immer werden Auswahl und Bewertung sich an rein subjektiven Kriterien orientieren.
Ich vermisse es, Beiträge zu dieser Serie zu lesen. Vielleicht kommt ja bald mal wieder was zu „Duft der Worte“? Ich finde ja, Dialekte“ duften“ besonders gut. Ein Sprachkurs bei uns hat nun regelmäßig einen Pfälzer als Gadtdozenten, um sich auch mit Ortsansässigen unterhalten zu lernen.
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Oh, wie wahr! Worte sind Gefäße für unsere Gedanken und Gefühle. Warum trinken wir Wein vornehmlich aus Weingläsern? Um dem Inhalt gerecht zu werden. Wenn wir für unsere Gedanken und Gefühle Plastikbecher benutzen, was sagt dies dann über sie aus? Unsere Gedanken und Gefühle verkümmern, wenn wir sie in Plastikbecher füllen. Und das ist genau das, was ich beobachte: Im meinem Unterricht habe ich versucht, Fähigkeiten meiner Teilnehmer herauszuarbeiten. Doch wie soll sich jemand als fähig empfinden, wenn er das Wort Zuversicht nicht von Zuverlässigkeit unterscheiden, geschweige denn eines davon buchstabieren kann?
Interessant ist auch der Bericht einer befreundeten Sprachdozentin. In den Deutschkursen wird auf die Vermittlung des Genitivs verzichtet! Immer wenn ich – richtiger Weise – den Genitiv verwende, beschleicht mich ein Gefühl der Scham. Gelte ich dann nicht als Besserwisserin? Hält man mich für skuril?
Zum Thema Dschändern: Eine Freundin von mir ist Verfechterin auf diesem Gebiet. Sie hat mir stichhaltige Argumente geliefert, warum es durchaus Sinn macht. Dennoch: ich empfinde es im täglichen Sprachgebrauch als etwas Sperriges und Unnatürliches. Als ich neulich einen Artikel las, in dem konsequent die weibliche Form verwendet wurde, ergab sich eine seltsames Gefühl der Diskriminierung: Es war nämlich nicht mehr die Rede von Patienten, sondern nur noch von Patientinnen! Was für eine seltsame Vorstellung! Denn, hat man früher doch irgendwie bei der männlichen Form die Frauen mitgedacht, so ist dieser Mechanismus umgekehrt für die weibliche Form noch nicht etabliert. Und so fühlt man sich als Leserin bei solch einem Artikel doch etwas befremdlich.
Mein Fazit: Ja, es gibt noch Menschen, die die deutsche Sprache schätzen und die dies nicht als etwas Unethisches und Demokratiefeindliches betrachten. Willkommen im Klub! Und ja: Unsere Sprache verroht und damit leider unser Inneres. Und es tut weh, dem zuzusehen. Umso schöner, wenn sich jemand dagegen stellt und versucht, diese Entwicklung etwas abzumildern. Ich bin dabei!
Ein Vorschlag für ein Wort zum untersuchen: fein.
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Ja, schön … fast hätte ich „fein“ geschrieben. Zu dem Wort fällt mir aber nicht so viel ein, als dass es einen Beitrag ergeben könnte. Das Wort schwingt entweder zu kurz oder eben zu fein, als dass für mich viel dabei herauskäme.
Es hängt wohl auch damit zusammen, dass mein Hund (meine Hündin!) immer mit „fein!“ gelobt wird, wenn sie etwas gut gemacht hat. Von daher ist das Wort für mich wohl besetzt. Aber: schaumermal.
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