Cool ist in den letzten Jahren zu einem festen Bestandteil der Alltagssprache geworden. Fast scheint es so, als könnte der gesamte semantische Raum, soweit er sich auf positive Qualitäten einer Sache, einer Sinneswahrnehmung, eines Ereignisses bezieht, auf dieses Wort zusammenschnurren.
Selbst gebildete und ansonsten reflektierte Menschen sagen erstaunlicherweise cool, wenn sie eigentlich angenehm, toll, super, großartig, gut, hervorragend, klasse etc. zum Ausdruck bringen wollen. Nun, ist doch cool, könnte man sagen (und gemeint ist damit ist doch praktisch), wenn man soviele Begriffe und Worte auf ein einziges reduzieren kann!
Cool, so wie wir es heute gebrauchen, meint nicht mehr das, was z.B. im Cool Jazz gemeint war. Denn eben der Cool Jazz war ja oft genug gerade nicht cool. Sicher, es drückte sich in ihm eine entspannte, unaufgeregte Lässigkeit aus. Jedoch: der Cool Jazz will keineswegs mit dem Erleben nichts zu tun haben. Er ist nicht glatt. Im Gegenteil: er ist introvertiert, er tastet sorgsam innere Seelenzustände ab und bringt sie – zurückgenommen – zum Ausdruck (man höre sich Birth of the Cool von Miles Davis an!). Der Cool Jazz ist die Form eines bestimmten Weltverhältnisses, das mit Langsamkeit, Zurückgenommenheit und hoher Präzision die Phänomene und Zustände zum Ausdruck bringt. Cool Jazz tastet die Welt oder die Seele langsam, bedächtig und präzise ab.
Das heutige cool aber kommt eher aus einem Nichtverhältnis zur Welt. Wolf-Dieter Storl weist zurecht daraufhin, daß cool ein Sprachgebrauch aus der Drogenszene ist. Cool meint somit ein anästhetisches, demnach ein Nichtverhältnis zur Welt. Ein Verhältnis ohne Empfindung, v.a. aber ohne Schmerz. Die Weltoberfläche ist für den Drogenkonsumenten ohne Haptik, zumindest ohne natürliche. Er nimmt die Droge ja, um das Raue, den Widerstand, das Leid und den Schmerz der Welt und seiner selbst nicht zu spüren. Cool ist folglich ein Wort für diejenigen, die für den Bruchteil einer Sekunde den Finger ins Wasserbad der Geschehnisse tupsen wollen, um sogleich, ohne überhaupt auch nur eine Zehntelsekunde Nachklang zugelassen zu haben, das Kurzwort cool, das sich ja wie kull spricht, auszuspucken. Gäbe es eine Anleitung zur Nichtachtsamkeit – kull wäre die Kurzanleitung dafür. Es ist das Entzauberungswort für die Stunde der baren Nichtempfindung.
Man stelle sich vor, Tamino würde in der Zauberflöte beim Anblick von Paminas Bild singen Die sieht ja cool aus! anstatt Dies Bildnis ist bezaubernd schön! Oder Florestans (in Beethovens Fidelio) Reaktion nach einer Befreiung aus der Kerkerhaft wäre so etwas wie Cool, endlich wieder Tageslicht! Oder Archimedes hätte nach der Lösung eines geometrischen Problems nicht Heureka! (ich habe es gefunden) sondern Cool! Gerufen. Man könnte die Reihe der Beispiele endlos fortsetzen, aber allein diese drei zeigen, welch im Grunde dummes Verhältnis zur Welt und zu sich selbst dieses Wort erzeugt.
Cool hat keinen Geruch. Man kann das Wort nicht anfassen, es entgleitet.
Cool markiert ein Weltverhältnis im Modus des Bildschirmarbeitsplatzes. Die Welt nicht als Wille und Vorstellung, auch nicht als großes Panoptikum oder als überwältigende Ereignisabfolge, sondern als keimfreies Daumenkino. Cool markiert eine zweidimensionale Welt ohne Tiefe und Räumlichkeit.
Cool, das bedeutet Einsilbigkeit statt Ausdruck. Sein Sprecher kann das Kurzwort fallen lassen und sich sogleich wieder seinem inneren, anästhesierten Zustand des Nichtempfindens widmen, anstatt dem Ereignis nachzuspüren. Wenn wir also vom Teijsting und Nousing von Cool sprechen, so müßten wir sagen, es ist ohne Ergebnis. Cool schmeckt weder, noch riecht es. Es stinkt nicht einmal. Auch den Abgang kann man nicht beschreiben, denn wenn cool gesagt wird, ist das Ereignis, die Empfindung bereits abgegangen. Bzw. es hat beim potentiell Empfindenden gar keinen Einlaß gefunden. Er hat es ante portas gescannt. In diesem Sinne ist cool ein Nichtwort.
Lassen wir zum Abschluß Paul McCartney und die Beatles zu Wort kommen, die 1968 bereits zu Protokoll gaben (Hey Jude):
For well you know that it’s a fool
Who plays it cool
By making his world a little colder
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Stop Making Sense – oder: Der Akkusativ ist dem Dativ sein Tod (Der Duft der Worte, Teil 1)
Text und Titelbild © Lothar Eder 2019
Ein Gedanke zu unserem „Wortschatz“
Ich glaube, dass der deutsche Wortschatz inzwischen nicht nur sehr viel kleiner geworden ist, sondern auch anscheinend nur einer begrenzten Anzahl an Menschen zugänglich. Für den Rest müssen dann eben Alternativen her… somit ist sozusagen der Wortschatz im wahrsten Sinne ein Schatz: Nicht jeder kann ihn besitzen. Wer sich aber zu den Glücklichen zählen darf, der einen WortSchatz hat, sollte damit nicht geizig sein. Gott sei Dank erschöpft er sich ja nicht, wenn man ihn verteilt.
In diesem Sinne vielen Dank für das (Ver-)Teilen ihrer Anregungen.
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