Um weiterzukommen, muss man manchmal stehenbleiben
Diesen Satz sprach ein Klient in der heutigen letzten Therapiestunde. Und dieser Satz hat mich so beeindruckt, dass ich ihn aufgeschrieben habe. Er beschreibt eine Selbstfindung, ein zu-sich-Kommen. Wie oft sind wir hektisch, nicht bei uns, es treibt uns irgendwohin, wir wissen aber nicht recht wohin, keine Richtung scheint zu stimmen. Es muss doch weitergehen! Aber wohin? Vielleicht bin ich ja schon da?
Vielleicht ist dies ein Satz, der in den aktuellen Tagen des Corona-Shutdowns, besonders angebracht ist. Viele von uns fühlen sich zunehmend unwohl, im Mangel, es fehlt an so vielem – all den Möglichkeiten, die wir in den vergangenen, „guten“ Zeiten hatten. Und jetzt? Keine Kneipe, kein Restaurant, nur noch daheim bleiben, es wird täglich dunkler und trüber, ich darf mich nur noch sehr eingeschränkt mit anderen Menschen treffen. Was für ein Wahnsinn! Was mache ich? Was mache ich denn jetzt?
Ich will die Situation nicht schönreden. Sie ist alles andere als schön. Sie ist belastend. Für manche bereits unerträglich. Aber – sie bietet uns auch die Chance zur Entschleunigung. Zum Ankommen bei sich. Im jetzigen Moment. Zum Stehenbleiben anstatt des steten Weiter, immer weiter (das berühmte Diktum von Oliver Kahn).
Eine weitere Verknüpfung kommt mir. Es fällt mir ein Lied ein von Neil Young. Es heißt Slowpoke. Slowpoke, das heißt so viel wie Lahmarsch, Penner, Trantüte. Alles Zuschreibungen, die wir spontan ablehnen würden. Aber da singt einer, der viele Medaillen umhängen hat Slowpoke, I’m gonna run with you – Lahmarsch, ich lauf‘ jetzt mit dir! Warum tut er das? „Weil ich auf der Suche bin“ (I’ve got some things to find), teilt uns der Sänger mit. „Als ich schneller war, war ich immer hintendran“, singt er (When I was faster I was always behind). Aber das ist doch paradox? Wenn ich irgendwo hinkommen will, ist es doch umso besser, je schneller ich bin, oder? Ja, scheinbar. Wer durch den Wald rast, sieht nur Bäume, aber er spürt den Wald nicht. Wer sein Essen hinunterschlingt, ist zwar irgendwie satt und kann möglichst schnell an seine Arbeit zurück, aber hat er sein Essen auch genossen? Nein, die Hetze, das stete Weiterimmerweiter läßt uns nirgendwo ankommen. Stattdessen sind wir immer hintendran und vermissen etwas, wenn nicht das Beste – I missed the best singt Neil Young. Und dann kommt dem Sänger eine erste Ahnung – es fehlt etwas, wenn ich langsamer werde. Aber etwas findet sich (Something’s missing, but somethin‘ is found). Was, davon wird nicht gesungen. Finden wir es heraus!
Es sind der Sänger viere. Und es sind vier wunderbare Sänger, nämlich David Crosby, Stephen Stills, Graham Nash und Neil Young. Hier sind sie zu hören:
Beitragsbild: Pixabay (lizenzfrei)
Welch „feine“ Poesie, die mich heute morgen wirklich auch körperlich berührt. Danke 🍁
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Das Bild ist ja echt genial!
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