David Crosby war Teil von Crosby, Stills und Nash und von Crosby, Stills, Nash und Young, die ab 1969 mit ihrem einzigartigen Harmoniegesang im Genre des Folk Rock Furore machten. Sie waren der Sound, der Klang eines Lebensgefühls, das mit der Hippie Generation und Woodstock verknüpft und mit der Botschaft von Freiheit und Liebe verbunden war. Teach Your Children war eine der Hymnen von CSN bzw. CSN&Y. Mit Ohio (Neil Young) reagierten sie auf den Tod von 4 Studenten, die 1970 bei den studentischen Protesten gegen den Vietnamkrieg an der Kent State Universität (Ohio) von der Nationalgarde erschossen worden waren.
Crosby ist mit seinem einzigartigen Klang der Lyriker der Formation. Er komponierte Klangbilder, die mit ihrer außergewöhnlichen Kombination von zugleich Kraft und Zartheit ihren Platz in meinem inneren Raum gefunden haben, die ich abrufen kann und die mir eine poetische Stimmung schenken. Sein erstes Soloalbum If I Could Only Remember My Name von 1971 enthält eine ganze Reihe davon – allen voran Orleans , ein choralartiges A capella Stück mit seinem sphärischen Klangkörper. Nun ist David Crosby in die Namenlosigkeit zurückgekehrt.
Mit am meisten hat sich Guinnevere in mein musikalisches Gedächtnis eingeprägt, ein Duett zusammen mit Graham Nash. Diese beiden waren ohnehin der lyrische und gesangliche Kern von CSN und CSN&Y. Die von ihm besungene Guinnevere ist nach Crosbys eigener Auskunft keine reale Person, sondern eine romantisierende Verdichtung von mehreren Frauen, die er in seinem Leben getroffen hat und die ihn beeindruckt haben. Guinnevere ist in der keltischen Überlieferung die sagenumwobene Gattin von König Artus und die Geliebte von Lancelot. Sie ist der Archetyp der begehrenswerten und geheimnisvollen „weißen, hellen Frau“. David Crosby besingt sie aus einer sehnsuchtserfüllten Distanz: As she turns her gaze /
Down the slope to the harbor where I lay / Anchored for a day.
Klänge von Pfauen und Möwen weben sich in den Text, ebenso wie der Geruch von Meer und von einem Orangenbaum. Getragen von einer der offenen Gitarrenstimmungen, wie Crosby sie meist verwendet hat, lässt er im Bund mit Graham Nash elegische Klangräume entstehen, die in ein unaufgelöstes Ende münden.
Seagulls circle endlessly
I sing in silent harmony
We shall be free
Deja Vu, das Titelstück des gleichnamigen Debutalbums von CSN&Y, kommt uns mit einem in Triolen gebrochenen Mollseptakkord auf der akustischen Gitarre entgegen, der die Anmutung eines sich drehenden Rades hat. Die ersten Töne fahren einem von unten in den Bauch und die letzten Töne des Akkords fallen wie Wassertropfen auf uns herunter, und dies wiederholt sich über viele Takte. So entsteht der Eindruck eines stetig sich drehenden Rades; wir kommen immer wieder an der gleichen Stelle an: deja vu. Dazu phrasiert Crosby selbst eingangs eine Melodie ohne Worte. Nach dem Einzählen setzt sich dann der Harmoniegesang auf das sich drehende Rad; ich kann mich gut erinnern, wie es mich beim ersten Hören des Stückes von 50 Jahren einfach weggerissen hat. Diese Dynamik, und das in Verbindung mit der poetischen Strahlkraft der Harmonien!
Auch in Turn! Turn! Turn! der Byrds von 1965, deren Mitglied Crosby war, findet sich dieses Motiv der Wiederkehr. In einem späten Interview erzählte er, dass er von der buddhistischen Idee der Wiederkehr inspiriert sei: das Leben endet nicht mit dem Tod, es ist vielmehr eine ewige Kreisbewegung von Leben und Sterben, wie wir sie von Goethes Stirb und Werde her kennen. Folgerichtig endet das Lied Deja vu mit der Zeile We have all been here before – Wir waren alle schon mal hier.
We have all been here before
Am 18. Januar 2023 ist David Crosby 81jährig von uns gegangen. Danke für die Musik, David und – we will remember your name!
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