Der Krieg ist radikal. Er ist das am schrecklichsten Denkbare. Der Krieg bringt die schrecklichsten Seiten des Menschen hervor. Der Krieg ist radikal unpoetisch. Er ist das Gegenteil dessen, was eine Radikale Poesie hervorbringen möchte.

Das Wetter war heute, am 13. Februar 2023, sonnig und frühlingshaft. Es war deutlich länger hell, der kommende Frühling spürbar.
Der Himmel in Dresden am 13. Februar 1945 soll bedeckt gewesen sein, mit gelegentlichem Regen. Nachts herrschten Temperaturen im mäßigen Frostbereich, tagsüber soll es mild gewesen sein im niedrigen zweistelligen Bereich.

Um 22.13h begann die Dresdener Hölle. Die Bombardierungen durch britische Bombergeschwader begann, es folgten weitere Angriffswellen. Zum Einsatz kamen Brandbomben; trotz ihrer späteren Ächtung wurden sie u.a. von den USA weiterhin eingesetzt. Diese Phosphorbomben entfachen ein Höllenfeuer von 1.300 Grad Celsius. Wer mit ihnen in Berührung kommt, verbrennt qualvoll, es ist nicht möglich, das Feuer zu löschen. Menschen rennen wie brennende Fackeln durch zerstörte Straßen. Sie suchen den rettenden Fluss. Aber auch das Wasser ist nicht in der Lage, den Höllenbrand zu löschen.

Mütter, Kinder und Babys wirbelten zu Dutzenden durch die Luft, so stark war der Sog der Feuersbrunst. Die Skelette waren zusammengeschmolzen. Das war ein Kriegsverbrechen. Alles was ich aufgeschrieben habe, ist wirklich passiert.

So erlebte der britische Kriegsgefangene Victor Gregg in Dresden die Katastrophe

„Der britische Veteran Victor Gregg wurde im letzten Oktober 100 Jahre alt, er hält Vorträge und gibt Interviews. „Wir haben furchtbar Schlimmes getan“, sagt er. In der „Sun“ bezeichnet er sich sogar als „Mörder“. Nie wieder solle jemand das erleben müssen, was er als junger Mann in der Nacht zum 14. Februar 1945 in Dresden mit eigenen Augen ansehen musste.“ (Deutschlandfunk 13. Februar 2023, https://www.deutschlandfunk.de/geschichtsdebatte-ueber-bombenangriffe-die-briten-und-die-100.html)

Dresden 1945 ist ein Brennpunkt der deutschen Geschichte, der Geschichte des Krieges und der Geschichte überhaupt. Über das zu schreiben, was am 13. Februar  1945 sich ereignete, ist kein leichtes Unterfangen. Zum einen fehlen die Worte, um dieses Inferno zu beschreiben. Zum anderen gerät man mit der Thematisierung von Dresden schnell zwischen alle Stühle und Mühlsteine, ideologische Hyänen lauern auf Beute – wehe du sagst etwas Falsches!

Und durch die Straßen das Blut der Kinder
floß einfach, wie das Blut von Kindern.

Pablo Neruda

Der Streit um Dresden ist der Streit um Zahlen und um Schuld. Ein Dokument der Dresdner Stadtverwaltung aus dem Jahr 1992 geht von 250.000 – 300.000 Toten aus. Eine Historikerkommission kam 1990 zu dem Schluss, dass es 25.000 Tote waren. Sicher ist, dass es allesamt Zivilisten waren, Dresden war ein Brennpunkt der Flüchtlingsströme aus den Ostgebieten.
Die Stadt war wehrlos und offensichtlich militärisch nicht von Bedeutung. Das Bombardement von Dresden war Bestandteil des Moral Bombing: Ziel war vor allem die Zivilbevölkerung, die Zerstörung von Industrieanlagen so etwas wie eine „Sonderprämie“, wie der Lufwaffenkommandant Sir Arthur Harris, später sagte (https://www.badische-zeitung.de/moral-bombing-darueber-spricht-man-nicht–160848802.html).

Die Zahlenangaben der Historikerkommission allerdings beziehen sich lediglich auf die gefundenen Skeletteile. Durch Phosphorbomben aber werden Knochen zu Staub zermahlen. Auf diesem Umstand fußen die Zweifel, die gegenüber der Einschätzung der Kommission laut werden.

Kommt, ihr Geister,
Die ihr auf Mordgedanken lauscht, entweiht mich,
Füllt mich vom Wirbel bis zur Zeh, randvoll,
Mit wilder Grausamkeit! Verdickt mein Blut, Sperrt jeden Weg und Eingang dem Erbarmen,
Daß kein anklopfend Mahnen der Natur
Den grimmen Vorsatz lähmt, noch friedlich hemmt
Vom Mord die Hand! Kommt an die Weibesbrust, Trinkt Galle statt der Milch, ihr Morddämonen,
Wo ihr auch harrt in unsichtbarem Wesen
Auf Unheil der Natur! Komm, schwarze Nacht, Umwölk dich mit dem dicksten Dampf der Hölle,
Daß nicht mein scharfes Messer sieht die Wunde,
Die es geschlagen, noch der Himmel,
Durchschauend aus des Dunkels Vorhang, rufe:
Halt, halt!–

William Shakespeare, Macbeth

Der Streit um Schuld und Zahlen verschattet das Gedenken an das Verbrechen und die Toten. Nur wenn wir innehalten und unser Herz öffnen, wenn wir aufhören uns über Schuld und Zahlen zu streiten, haben wir die Möglichkeit, aus der Spirale der Gewalt auszusteigen. Erst dann gelangen wir zu den entscheidenden Fragen. Warum gibt es Krieg? Wie kommen Menschen dazu, ihr Mitgefühl zu verlieren? Welche Bedingungen führen dazu? Und nicht zuletzt: wer profitiert vom Krieg?

Klar die Frostluft: unterm Flügel, Augenweide,
Lud der Fluß, ein schlankes S, die Bomberstaffeln ein.
Nachts der Stadt blieb keine Zeit, sich anzukleiden.
Besenhexe kocht. Kocht Glas, Metall, Asphalt und Stein.
Bombe, Bombe – blankpoliert, fiel durch den Schacht
Tonnenweise Schrott in den Mätressenschoß.
Augusts Pracht… „Nie gutzumachen diese Nacht“.
Schwarz vom Phosphorbrand: das sandsteinhelle Schloß.
Spaniens Himmel flammte auf, und Coventry und Guernica.
Von der Bella ante bellum – nichts mehr da.

Durs Grünbein, Porzellan

Wer Frieden will, braucht Frieden in den Herzen.
Wer Frieden im Herzen will, braucht Frieden im kollektiven Gedächtnis.
Wer Frieden im kollektiven Gedächtnis haben will, braucht ein mitfühlendes Gedenken aller Verbrechen und aller Toten.

le

Beitragsbild von Goran Horvat auf Pixabay

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..