Manchmal lese ich Bücher zu Ende, weil ich sie angefangen habe und wissen möchte, wie sie ausgehen. So ging es mir auch mit dem Roman, um den es hier geht. Genauer gesagt geht es aber gar nicht um den Roman. Ich las ihn, er unterhielt mich, es ist kein schlechter Roman, aber eben auch kein guter. Dann aber, ich hatte schon fast zweihundert Seiten gelesen, stand da plötzlich ein Satz, der mich elektrisierte.
Der Satz sprang mich förmlich an und zwang mich, das Lesen einzustellen und ihn auf mich wirken zu lassen.
Das Leben hat nur Sinn, wenn das, was wir wirklich sind, berührt wird
Dieser Satz stand vor mir und forderte eine Antwort. Er lässt eine Tiefe entstehen, einen Raum der Erkundung. Einen Fragenraum.

Ergeht es uns nicht oft so im Fluss des Alltag?. Wir schwimmen mit, oft genug werden wir einfach mitgerissen von den Ereignissen und der Routine oder wir haben uns bereits ergeben und lassen unser Leben mit uns geschehen. Und wenn wir Glück haben, begegnet uns etwas, das uns herausreißt aus dieser Routine. Zum Beispiel solch ein Satz. Etwas, das uns berührt, das uns uns selbst fühlen lässt, das die Verbindung zu dem herstellt, was wir tief im Inneren wirklich sind.

Wenn wir diesen Faden aufnehmen, wie einen Ariadnefaden, dann kommen wir zu uns. Wir bekommen eine Ahnung, wer wir wirklich sind jenseits all der Alltagsroutine und des Funktionierens.
Ich sehe mich am Ufer des Meeres stehen, bei heftiger Brandung und unerwartet peitscht mir eine Windböe einen Schwall Wasser ins Gesicht. Das Leben gibt mir eine Ohrfeige und sagt Wach auf und komm zu dir! Werde der du bist, sagt C.G. Jung an dieser Stelle. Geh in Kontakt mit dir, erlaube dir, auszusteigen aus den Routinen, stelle sie in Frage und erlaube dir, dass Antworten entstehen, die vielleicht unbequem sind.
Ich muss schmunzeln an dieser Stelle. Weil ich mir denke, wie glücklich ich mich schätzen kann, dass ich das Buch nicht vorschnell in die Ecke geworfen, sondern weitergelesen habe. So als ob etwas in mir gewusst hat, dass da auf Seite einhundertdreiundneunzig ein Satz auf mich wartet, der das Durchhalten bis dahin wert war.
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Fotos: Joseph Redfield Nino, Arek Socha und kascha auf Pixabay