Verlassene, aufgegebene Orte und Gebäude üben (auf mich) einen besonderen Reiz aus. Wenn man sie (möglichst alleine) betritt und still wird, dann erzählen einem die Gegenstände und die Wände die Geschichte des Ortes. Das mag für manche ein wenig mysteriös klingen. Doch die besondere Faszination solcher Orte ist wohl den meisten bekannt.

Vor einigen Jahren führte mich eine gute Freundin zu einem verlassenen Haus im vorderen Bayrischen Wald. Sie wußte von meiner Vorliebe für derlei Orte. Wir fanden das Haus unverschlossen, auf einer versteckten Lichtung inmitten des Waldes stehend. Die Dielenbohlen waren ebenso brüchig wie die Holztreppen, sodaß wir uns nur sehr vorsichtig bewegen konnten. Es war, als sei das Leben stehengeblieben. Hier stand ein Kleiderschrank mit offenbar handgeschneiderten Anzügen und Hemden, die vom Stil her in die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts paßten. Dort lagen Zeitschriften aus den 70er Jahren herum. In einem Kellerverlies standen gefüllte Einweckgläser und Bierkästen, wie es sie bis in die 60er Jahre hinein gab. Gegenüber fanden wir Überreste einer Schusterwerkstatt.
Damals, bei der ersten Begehung, gab es im Haus bereits Verfall und Zerstörung. Bei späteren Begehungen mußte ich leider zunehmenden Vandalismus von „Besuchern“ feststellen. Bei meinem letzten Besuch 2016 fand ich das Haus verschlossen. Auch die Fenster waren zu, offenbar hatten auch einige Instandhaltungsarbeiten stattgefunden. Dennoch wirkte das Haus nicht bewohnt. Ich hatte eigentlich vorgehabt, den Eigentümer herauszufinden und ihn zu kontaktieren, um ihn zu dem Gebäude zu befragen und vielleicht auch die Möglichkeit zu bekommen, es nocheinmal zu betreten. Aber ich tat es nicht, vielleicht weil ich dem Haus sein Geheimnis lassen wollte. Und vielleicht auch, weil ich mir die starken Eindrücke des ersten Besuchs bewahren wollte.

Damals, 2010, hatte ich die Kamera dabei und es entstand unter anderen die Arbeit „Die Wiederkehr“ (ein zweites Foto findet sich unter http://eder.photography/fenster.html). Der Bildausschnitt faszinierte mich: diesseits des Fensters Spuren des früheren Lebens, Verfall. Und von außen geschieht das Hereindrängen der Natur mit ihrem frischen Grün. Die Natur erobert sich den Platz zurück, sanft und unaufhaltsam. Vielleicht deshalb habe ich das Foto „Die Wiederkehr“ genannt. Ich weiß es selbst nicht genau, der Titel schien mir einfach passend.

Ich erinnere genau das letzte Bild, als wir damals wieder aus dem Haus heraus und auf die Lichtung traten. Links neben der Tür befand sich ein Holzstapel, und auf diesem war eine alte Brille abgelegt. Die Brille lag da, als habe sie ihr Besitzer eben gerade dort hingelegt um ein wenig in den Wald zu gehen. Das Brüderpaar aber, welches das Haus zuletzt bewohnt hatte, lebt seit den 70er Jahren nicht mehr. Uns schauderte.

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