
Modernes Ballett, das ist oft: getanzte Postmoderne. Will heißen: karge Bühne, Musik vom Band, unvermeidliche Videoeinspieler und sich schwer erschließende Bewegungsabfolgen. Andererseits habe ich die Choreographien von William Forsythe immer sehr genossen, ihre Unmittelbarkeit, ihre Virtuosität, ihre Entschlossenheit und ihre Poesie.
Am Theater Heidelberg arbeitet seit 2012 Nanine Linning als Chefchoreographin. Sie ist mittlerweile international sehr angesehen und verlässt das Theater aus diesem Grund bedauerlicherweise 2018, wie man hört in Richtung London.
Ihre aktuelle Produktion nennt sich „DUSK“. Im Programmheft heißt es dazu „An der Schwelle zwischen Ende und Neubeginn liegt ein Ort der Dämmerung, an dem sich die Zeit unendlich zu dehnen und gleichzeitig unausweichlich abzulaufen scheint.“ 12 Tänzer, Damen und Herren, ruckeln, schweben, gleiten, tänzeln in und durch den Bühnenraum, dehnen sich aus in weitausholenden Bewegungen, ziehen sich in sich zurück, ducken sich, recken sich ins Licht, mal im Ensemble, mal paarweise, mal alleine. Alle menschlichen Strebungen und Sehnsüchte, alle Ängste, alles Werden und Vergehen sind in dieser Aufführung, die gerade mal eine Stunde dauert, verdichtet auf die Bühne gebracht.
Kein Requisit stört, kein Schnickschnack ist zu sehen. Dafür reiner Tanz, die choreographierte Intuition der Körper. Zu erwähnen ist nicht zuletzt die Musik Mahlers, direkt gespielt vom Orchester. Eine Musik, die durch ihren fortwährenden Grenzgang zwischen Spätromantik und Moderne passende Stimmungen erzeugt. Hervorragend in seiner Balance zwischen Minimalismus und spätromantisch anmutender Poesie: das Bühnenbild. Man müßte sagen: die Bühnenbilder. Nebel und Wolken im Bühnenhintergrund in dynamischer Bewegung, aus denen Tänzer starr oder sich bewegend auftauchen und wieder verschwinden, und damit den programmatischen Titel bildhaft aufnehmen: stets an der Schwelle zwischen Entstehen und Vergehen. Die Dämmerung als geheimnisvolle Zeit, in der alles neu werden kann und doch noch geschützt ist vor dem harten Licht der hohen Sonne, alles kann noch Potenzial sein, gerade erst dem Unbewegten entstiegen.
Premiere war am Sa., den 11.11.2017. Weitere Aufführungen siehe DUSK – ein Tanztheaterstück von Nanine Linning am Theater Heidelberg
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