Einen ganzen Tag habe ich es ausgehalten, die Katze im Ferienhäuschen nicht zu füttern. Die Katzen von früher sind nicht mehr da. Vielleicht sind sie ja nicht mehr. Die jetzige Katze hat sich gleich mir zugehörig verhalten. Sie sieht aus wie das Kind der einen Katze von früher, sie ist ebenso wuschelig. Andererseits gibt sie ständig Laute von sich, die zwischen einem Schreien und einem Quietschen liegen. Dies erinnert an die zweite Katze von früher, die aus diesem Grund „Quietschie“ hieß. So nannten wir sie, spanische Katzen auf dem Land haben meist keine Namen. Sie sind halt da. Merkwürdig, denn beide haben wir als Kätzinnen in Erinnerung.
Die Katze Wuschelquietschie ging mir ehrlich gesagt zunächst ein wenig auf die Nerven. Ständig strich sie mir um die Beine und gab ihre Laute von sich. Dann fand ich heraus, dass sie nicht nur fressen wollte, sondern die Nähe suchte. Ich entdeckte, dass sie mich flehentlich ansah und mich an ein Kind erinnerte, das zu früh von der Mutter getrennt worden war. Aber ehrlich gesagt setzt mein Verstand ohnehin aus, wenn es um Katzen geht. Heute ist sie für eine ganze Weile weggeblieben und da bemerkte ich, daß sie mir fehlt. Am Abend war sie mit einem Mal wieder da. Ich war so erleichtert, daß ich ihr sofort ein Schälchen von dem wunderbaren Frischkäse, den sie nur hier in Spanien in dieser Konsistenz hinbekommen (frischer Käse aus Kuh-, Schafs- und Ziegenmilch und doch schnittfest, herrlich!). Jetzt frißt die Katze Wuschelquietschie und von nun an habe ich natürlich verloren. Soll mir recht sein.

Nachtrag: Katze Wuschelqietschie hat nur ein bißchen vom Käse genascht. Das Schälchen stand draußen auf der Terrasse. Also brachte ich es in die Küche. Katze W. folgt mir und macht sich über das Schälchen her. Als alter Systemiker beginne ich mit folgerichtiger Hypothesenbildung. Ah, der Katze war es draußen zu gefährlich zum Fressen (andere Katzen lauern im Gebüsch und die Alarmhaltung hemmt Katze W.’s Appetit), nun schmeckt es ihr in meinem Schutzbereich. Jedoch: diese Hypothese wird falsifiziert, Katze W. läßt auch in der Küche den Käse stehen. Nun kommt Hypothese zwei: wie alle Katzen versteht sich auch Katze W. darauf, mich zu konditionieren. Sie erzeugt Verhaltensunsicherheit bei mir und regt mich zur Produktion von Gedanken an, wie ich ihre Gunst (also das gnädige Verspeisen der von mir vorgesetzten Nahrung) erlangen könnte. Von wegen, denke ich. Habe aber gleich die Idee, ihr die Reste von meinen frisch zubereiteten Langusten vorzusetzen, darauf stehen Katzen immer (also hat sie mich gewissermaßen am Haken). Wuschelquietschie macht sich wie vermutet gierig über die Langustenschalen her, wendet sich aber bald wieder ab. So bleibt der Mensch ratlos zurück. Ist die Katze einfach ein höflicher Gast, der sich zunächst scheinbar hungrig den vom Gastgeber aufgewarteten Speisen zuwendet, um, dann doch seiner natürlichen Hemmung folgend, den Teller alsbald von sich wegzuschieben? Fragen über Fragen. Dann ist Katze W. mit einem Mal verschwunden. Als ich später einen Blick ins Schlafzimmer werfe, liegt sie bereits auf dem Bett und fixiert mich treuen Blicks. Fast schäme ich mich, ihr soviel Berechnung unterstellt zu haben.

 

 

Bild von Niner09 auf Pixabay

Ein Gedanke zu “Mein (un)poetischer Alltag – Die Katze W.

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