Von Martin Luther stammt der Satz „Und wenn ich wüßte, dass die Welt morgen untergeht, würde ich heute noch einen Apfelbaum pflanzen.“ Dieser Satz spricht von Hoffnung.
Warum aber ein Apfelbaum?
Einen Baum zu pflanzen bedeutet in diesem Zusammenhang, an das Leben und seinen Fortbestand zu glauben. Warum aber spricht Luther von einem Apfelbaum? Er hätte doch auch einen Kirsch- oder einen Pflaumenbaum nehmen können? Nun, der Apfel ist in der eurasischen Mythologie das Symbol für das Leben und die Lebensenergie.
Nur die Göttin Freia kann die lebensspendenden Äpfel aus dem Garten der Jugend pflücken und somit die germanische Götterschar am Leben halten – damit beginnt das Drama in Richard Wagners Ring des Nibelungen. Denn Wotan hat in seiner männlichen Selbstüberschätzung den Riesen Fasolt und Fafner eben jene Freia zum Lohn versprochen, wenn sie ihm und seiner Götterschar eine neue Unterkunft, Walhall, errichten. Damit wäre aber auch der Tod der Götter verbunden, denn: ohne Freia kein Weiterleben. Dumm gelaufen für den Götterchef, denn die Intrigen und Tücken, die er daraufhin ins Rollen bringt (beginnend mit der Versklavung Alberichs mit dem Ziel der Weltherrschaft), kosten ihn und den Seinen letztlich das Leben.
Der Garten, die Stille und der stumme Baum
In meinem kleinen Garten steht ein kleiner Apfelbaum. Da der Garten klein ist, hat das Bäumchen nicht viel Platz. Aber es trägt Jahr für Jahr tapfer ein paar Äpfel, die wir mit großem Genuß verspeisen.
Der Frühling kam und die Büsche trieben aus, nur das Apfelbäumchen blieb kahl. Nirgendwo ein Triebauge, geschweige denn ein grünes Blättchen. Ich beobachtete es ein paar Tage und bemerkte meine Sorge, es könne eingegangen sein. Morgens, wenn es Gelegenheit gibt und es nicht regnet, sitze ich manchmal still in der Nähe des Baumes. So auch vor ein paar Tagen. Da regte sich eine vorweggenommene Trauer um den Baum. Ich bemerkte die Anspannung im Bauch, die mir die Ruhe nahm. Nach einer Weile gelang es mir, ins Atmen zu kommen und ein wenig in die Tiefe zu gehen. Ich hörte die Stille um mich herum und eine Ruhe setzte ein. Dann regte sich etwas hinter mir, etwas raschelte und zog meine Aufmerksamkeit auf sich. Das Rascheln bewegte sich hin und her und tauchte dann rechts von mir auf. Ich öffnete die Augen und erblickte ein Eichhörnchen, das nur wenige Meter von mir entfernt am Stamm einer Konifere entlanghuschte. Die Anwesenheit des Eichhörnchens zusammen mit den Vogelstimmen rings umher tröstete mich. Ich spürte das Leben, das mich umgab, die Bewegung des Lebens, die immer weiter geht und für die wir nichts tun müssen.
Das Triebauge und die Hoffnung
Ich fasste den Entschluss, mein Bäumchen ein wenig zu unterstützen. Gleich stand ich auf und fertigte eine Mischung aus gutem Wasser, Dünger aus der kleinen Wurmfarm und effektiven Mikroorganismen an. Das Gemisch goß ich in 3 Löcher, die ich um die Baumscheibe herum in den Boden schlug. Mehr konnte ich nicht tun.
Am nächsten Morgen ging ich in banger Erwartung zu meinem Bäumchen. Natürlich war es nicht realistisch, dass an nur einem Tag etwas geschehen würde, Wachstumsprozesse dauern ihre Zeit. Aber tatsächlich war ein Triebauge zu sehen. Zumindest eines! Es jubilierte in mir. Mein Bäumchen lebte!
Es ist gerade die Zeit, in der das Leben neu erwacht und mit Macht zum Licht drängt. Alles will wachsen und sich entwickeln. Diese Energie ist gewaltig und doch leise und sanft. Ein Baum der fällt macht mehr Lärm als ein Wald der wächst. Das Leben ist nicht aufzuhalten. Es hält sich nicht an menschengemachte Regeln, z.B. an Lockdowns. Auch das Leben in uns will nun den Schwung des Frühlings mitnehmen. Es will sich nicht einsperren lassen. Es will frei atmen und tanzen. Und die Kraft die sich nun zeigt, ist sanft und kraftvoll. Das Leben beginnt immer wieder neu. Es läßt sich nicht aufhalten, sondern treibt immer irgendwo aufs Neue aus. Daran mag Martin Luther gedacht haben mit seinem Wort der Hoffnung. Auch in der trostlosesten Zeit treibt irgendwo ein Apfelbaum aus und trotzt aller Einengung und Destruktivität. Und sagt damit: es gibt Hoffnung! Und gerade die brauchen wir in den aktuellen Zeiten nötiger denn je.
Morgen sehe ich wieder nach. Und hoffe, dass ein weiterer kleiner Trieb sich zeigt.
Worte: Lothar Eder
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